In der heutigen dynamischen und oft herausfordernden Geschäftswelt ist effektive Führung von entscheidender Bedeutung. Die letzten Jahre, geprägt von globalen Krisen und einem rasanten technologischen Wandel, haben deutlich gemacht, dass traditionelle Führungsmethoden nicht mehr ausreichen. Dieser Beitrag verbindet verschiedene Perspektiven und Erkenntnisse über moderne Führung aus den letzten Jahren, um ein umfassendes Bild davon zu vermitteln, wie Führungskräfte heute und in Zukunft erfolgreich agieren können. Besonders spannend ist dabei, wie sehr viele Bereiche an Aktualität gewonnen haben – wenngleich das Wissen um einen besseren Führungsstil schon längst vorhanden war.
Analyse der aktuellen Führungssituation
8 Regeln für den totalen Stillstand: Viele Unternehmen kämpfen mit veralteten Führungsprinzipien, die Innovation und Fortschritt behindern. Die „8 Regeln für den totalen Stillstand“ nach Prof. Peter Kruse verdeutlichen, wie bestimmte Verhaltensweisen und Strukturen Organisationen lähmen können. Dazu gehören:
Führungskräfte müssen sich raushalten oder alles im Griff haben. Am wirksamsten sind beide Methoden, abwechselnd
Diskussionen über Veränderungen nur auf der informellen Ebene führen – produzieren Sie Gerüchte
Möglichst viele Dinge gleichzeitig tun – Verbreiten Sie operative Hektik
Installieren Sie umfassenden Wettbewerb – nur der Einsatzbereiteste überlebt
Suchen Sie nach den Verursachern der Probleme, finden Sie heraus, wer wirklich Schuld ist
Diskutieren Sie nicht öffentlich über bestehende Regeln
Beschlüsse sollten auf der formellen Ebene möglichst schnell konsensfähig sein, um dann informell schnell in Frage gestellt zu werden
Die Veränderungsgeschwindigkeit auf der Beschlussebene sollte stets größer sein, als auf der Umsetzungsebene
Diese Regeln dienen als Warnung und unterstreichen die Notwendigkeit, alte Muster zu durchbrechen und neue, flexible Ansätze zu integrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Komplexität macht Angst, das ist neurobiologisch gut nachvollziehbar. Je mehr Cortisol in unserem Blutkreislauf zirkuliert, umso mehr Oxytocin ist notwendig, um dieses wieder abzubauen. Oxytocin wird als „Bindungshormon” gebildet, wenn wir in intensiven, emotional erfüllenden sozialen Kontakten sind. Führung muss darauf Rücksicht nehmen, will sie nicht die Mitarbeiter mit Burnout-Symptomen verlieren.
Wenn uns die Covid-19-Pandemie eines aufgezeigt hat, dann ist es unser Umgang mit Krisen und Komplexität. Unser Verhalten während dieser Krise macht deutlich, wie wir persönlich und im Unternehmen mit Krisen umgehen.
Was ist eine Krise?
Eine Krise ist eine schwierige Lage, Situation, Zeit (die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt); Schwierigkeit, kritische Situation; Zeit der Gefährdung, des Gefährdetseins, so der Duden.
Krisen sind darüber hinaus dadurch gekennzeichnet, dass Sie eine Situation darstellen, die wir nicht managen können, in der viele Aspekte neu sind, manche noch weniger gut bekannt, Auswirkungen und Zusammenhänge unklar bleiben. Das gleiche gilt für Komplexität. Wir können somit eine Krise durchaus mit einer komplexen Situation vergleichen.
Krise = Komplexität + Angst
„Corona” war beides: Krise und Musterbeispiel für eine komplexe Situation. Betrachtet man das einzelne Individuum, kommt in heftigen Krisen dann auch noch eine Portion Angst (Angst vor der Krankheit, Existenzangst, Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, …) dazu, was den Umgang nicht einfacher macht. Es ist also auf eine einfache Formel zu bringen:
Krise = Komplexität + Angst
Dietrich Dörner beschreibt in seinem Buch „Die Logik des Misslingens“ Komplexität in wunderbar einfachen Worten:
„… dass ein Akteur in einer komplexen Handlungssituation einem Schachspieler gleicht, der mit einem Schachspiel spielen muss, welches sehr viele … Figuren aufweist, die mit Gummifäden aneinander hängen, sodass es ihm unmöglich ist, nur eine Figur zu bewegen. Außerdem bewegen sich seine und des Gegners Figuren auch von allein, nach Regeln, die er nicht genau kennt oder über die er falsche Annahmen hat. Und obendrein befindet sich ein Teil der eigenen und der fremden Figuren im Nebel und ist nicht oder nur ungenau zu erkennen.“
In Unternehmen und Institutionen haben wir nicht immer Krisen, aber sehr oft komplexe Situationen. Verstärkend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mehr und mehr über Distanz verläuft. Homeoffice und dezentrale Teams in international agierenden Unternehmen gibt es schon lange, durch die notwendige Distanz in der Covid-19-Pandemie wurde jedoch eine Entwicklung beschleunigt, die durch den Metatrend Digitalisierung schon vorgezeichnet war: Kommunikation über digitale Medien.
Führung ist immer real
Führung wird somit in der Zukunft noch mehr auf Distanz vonstattengehen, als es bisher schon üblich war. Üblicherweise spricht man dann von virtueller Führung, daher ist im Titel dieses Artikels auch „virtuelle Führung“ enthalten, wenngleich dies den Tatsachen keineswegs gerecht wird. Führung ist nicht virtuell, Führung ist immer real, ob sie stattfindet oder auch nicht, wie auch immer sie im Detail gelebt wird, die Wirkung auf die Mitarbeiter:innen ist real. Auch wenn das Medium, über das die Führungskommunikation läuft, digital ist, ist nichts in unserer Zusammenarbeit virtuell. Die Fehler, die passieren, sind es nicht. Die Fehler passieren real. Und auch die Erfolge sind es nicht. Die Konflikte auf Distanz sind genauso real, als ob sie im Büro passieren würden und die daraus folgenden Umsatzeinbrüche sind real. Die Verantwortung liegt bei den Führungskräften.
Virtuelle Führung als spezielle Form der Führung ist also ein Mythos. Fehlt die persönliche Ebene, weil die Kommunikation auf Distanz verläuft, kann dies bestehende Mankos sogar noch verstärken. Eine Mail, die auf einen Fehler hinweist, die Kolleg:innen in cc, hat Auswirkungen auf die kritisierte Person. Der Gesichtsverlust, die mangelnde Wertschätzung und die Demotivation, die diese Mail auslöst, sind somit sehr real. Natürlich hätte im Rahmen einer Präsenzveranstaltung ein Tadel im Kreis der Kolleg:innen die gleiche Auswirkung. Er macht die Menschen unglücklich. Aber da hätte vielleicht eine abmildernde Geste oder auch ein(e) deeskalierende(r) Kollege:in helfen können.
Dies zeigt auch eine aktuelle Studie von Capgemini, die deutlich macht, dass für die neue hybride Arbeitswelt auch neue Ansätze der empathischen Mitarbeiterführung erforderlich sind. So sehen Mitarbeiter:innen eine Diskrepanz zwischen den wichtigsten Fähigkeiten, die sie von Führungskräften erwarten, und deren derzeitigem Leistungsniveau. Aus Sicht der Mitarbeiter:innen halten 75 Prozent emotionale Intelligenz für eine wesentliche Eigenschaft, aber nur 47 Prozent glauben, dass die Führungskraft in diesem Bereich wirklich kompetent sind. Ähnlich verhält es sich mit effektiver und kontinuierlicher Kommunikation (78 zu 53 Prozent) und Vertrauenskultur (84 zu 50 Prozent).
Komplexität macht Angst
Zu der digital erzeugten Distanz kommt nun oben beschriebene Komplexität von Organisationen und Unternehmen hinzu, die wir nur sehr schwer handhaben können. Der Hirnforscher John-Dylan Haynes spricht von zwei Herausforderungen, um mit Komplexität umzugehen:
Erstens der „Stationaritätsannahme”: Wir Menschen nehmen an, dass es morgen genauso wird, wie es heute ist. Wie wir in der zurückliegenden Krise gesehen haben, ist das falsch.
Und zweitens: Um mit Komplexität umzugehen, müssen wir extrem vereinfachen. Komplexität lebt aber von exponentiellen Entwicklungen, Ambiguität, Latenzen und Trägheit sowie unerwarteten Effekten. Eine Vereinfachung ist nahezu unmöglich.
Wir können also Krise, Komplexität und Dynamik sehr schwer handhaben. Dies verursacht bei uns Unsicherheit und mit Unsicherheit kann wiederum unser Gehirn schwer umgehen.
Die Dynamik der Angst
Jegliche Form von Unsicherheit löst bei uns im Gehirn eine Vorsichts-, Angst- oder Panikreaktion aus. Diese wiederum löst die neurobiologische Stressreaktion aus, die die Aufmerksamkeit auf die Gefahr und die notwendige Energie für Angriff, Erstarrung oder Flucht bereitstellen soll.
Als erster Neurotransmitter tritt Adrenalin in Aktion. Einmal ins Blut ausgeschüttet vermittelt Adrenalin eine Herzfrequenzsteigerung, einen durch Blutgefäßverengung bewirkten Blutdruckanstieg und eine Bronchiolenerweiterung. Das Hormon bewirkt zudem eine schnelle Energiebereitstellung durch Fettabbau sowie die Freisetzung und Biosynthese von Glucose.
Für die länger andauernde Stressreaktion ist dann Cortisol zuständig. Es aktiviert katabole (= abbauende) Stoffwechselvorgänge und stellt so dem Körper energiereiche Verbindungen zur Verfügung. Seine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem ist langfristig gesundheitsschädlich.
Stress und seine Gegenspieler
Stress war und ist immer überlebensnotwendig, aber gleichzeitig schädlich. Aus diesem Grund gibt es im Körper des Menschen zwei Gegenreaktionen. Dem Stressverarbeitungssystem stehen das interneBeruhigungssystem und das Bindungssystem gegenüber.
Das interne Beruhigungssystem ist überwiegend der Neuromodulator Serotonin. Er hat mitunter eine beruhigende Wirkung und ist so als Gegenspieler von Cortisol von Bedeutung.
Der zweite Gegenspieler von Cortisol ist das Neuropeptid Oxytocin, das Bindungshormon. Hierdurch werden Soziale Emotionen und Verhaltensweisen aller Art begünstigt, einschließlich Vertrauen und Empathie gegenüber angenehmen Sozialkontakten. Die Ausschüttung von Oxytocin fördert meist auch eine Ausschüttung von Serotonin. Es hat jedoch auch selbst stressmindernde Funktion.
Die Bedeutung der Verbundenheit
Selbstberuhigung und Bindung reduzieren also Stress. Hier wird Führung wichtig: Je mehr auf Distanz gearbeitet wird, umso wichtiger ist die Nähe durch die Führungskraft.
Gerald Hüther spricht in diesem Zusammenhang von zwei Grundmotivationen des Menschen „Verbundenheit” und „Entfaltung und Gestaltung”. Verbundenheit ist die Primärerfahrung eines jeden Menschen, weil er ganz am Anfang seiner Existenz, ohne verbunden zu sein, nicht hätte überleben können. Dieses Grundbedürfnis wird er nie wieder los. Dies muss die Führungskraft wissen und berücksichtigen, aber wie?
Ein erster Gedanke wäre vielleicht: „… am Anfang eines Online-meetings ein paar freundliche Worte zu sprechen, zu fragen, wie es geht, um dann schnell zur Sache zu kommen. Es geht ja schließlich um Umsatz und Gewinn. Als Chef bin ich ja nicht für’s Wohlbefinden meiner Mitarbeiter:innen zuständig, da sollen sie sich selbst darum kümmern.” Weit gefehlt. Zuständig nicht, aber es zahlt sich aus, denn glückliche Menschen haben Erfolg.
Angst nehmen, Zuversicht zeigen
Was können wir also tun? Die Idee ist denkbar einfach: Mensch sein. Mehr Ehrlichkeit, positive Fehlerkultur, die Angst nehmen und Zuversicht zeigen.
Mehr Ehrlichkeit: Ehrlichkeit signalisiert Nähe, Floskeln sind distanziert. In komplexen Situationen kann ich auch als Chef nicht alles überblicken. Jede Entscheidung ist besser, als keine Entscheidung. Stehen sie zu Ihren Entscheidungen, auch wenn Sie manchmal falsch sind.
Positive Fehlerkultur: Ein Fehler ist erst ein Fehler, wenn man ihn zum zweiten Mal macht. Davor ist er ein Lerngutschein. Leben Sie diese Fehlerkultur als Vorbild vor.
Zuversicht zeigen: Menschen vergessen das Gesagte, aber sie erinnern sich an das Gefühl. Signalisieren Sie ein gutes Gefühl, ein Vertrauen in Ihre eigenen Entscheidungen und in die Zukunft.
Bei diesen vier Aspekten ist es völlig egal, ob sie digital oder face to face stattfinden.
Komplexität – Unsicherheit = Chance
Diese vier Aspekte machen den Menschen in uns aus, denn wenn wir als Chef auch noch Mensch sind, ist die Nähe inkludiert. Wenn wir durch unsere Führung Unsicherheit absorbieren, haben die Mitarbeiter:innen den Kopf frei für ihre eigentliche Aufgabe. Bringen wir es noch mal auf eine einfache Formel:
Gute Mitarbeiter finden und behalten ist Teil des Unternehmenserfolgs. Aber was erwarten Mitarbeiter heute? Was hat sich geändert? Diese sechs Tipps helfen Ihnen weiter.
Haben wir einmal gute Mitarbeiter, möchten wir, dass sie uns möglichst lange erhalten bleiben. Sie sind eine wichtige Stütze im täglichen Tun – und sie kosten Geld, wenn sie gehen: 14.900 Euro sind die durchschnittlichen Kosten für Mitarbeiter:innen, die ein Unternehmen verlassen. Das hat das Internationale Management- und Strategieberatungs-Unternehmen Deloitte 2019 in einer Analyse festgestellt. Wahrscheinlich sind die Kosten viel höher.
Mitarbeiter wechseln immer häufiger
Doch warum verlassen Mitarbeiter ein Unternehmen? Die Frage lässt sich heute schwerer beantworten, als noch vor 10 Jahren: Die Bedürfnisse und das Selbstverständnis von Mitarbeitern haben sich seither geändert. Nur eines steht fest: Die Fluktuationsrate steigt stetig an. Deshalb ist es für Unternehmer wichtig sich frühzeitig dieses Problems bewusst zu werden und ihren Führungsstil in Frage zu stellen.
Die vier wichtigsten Gründe für den Austritt aus den Unternehmen sind: die Führung (19%), das Gehalt (18%), die Aufstiegsmöglichkeiten (17%) und zu wenig positive Mitarbeitererlebnisse (13%).
Die Arbeitswelt im Wandel
Die zunehmende Nutzung digitaler Geräte bringt radikale Veränderungen mit sich. Die Digitalisierung erhöht die Komplexität und die Geschwindigkeit von Prozessen. Arbeitsbedingungen wechseln schnell, langjährige Berufe verschwinden, neue Chancen entstehen. Dies hat uns die Corona-Pandemie ganz deutlich vor Augen geführt.
Die Folge: Die Arbeitsplatzsituation verändert sich, auch die Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen haben sich verändert. Das führt zwangsläufig zu einer neuen unternehmerischen Kultur und diese bedarf einer neuen Führungskultur.
Grundbedürfnisse der Mitarbeiter
Gerald Hüther und Sebastian Purps-Pardigol definieren in ihrem Buch „Führen mit Hirn“ zwei Grundbedürfnisse des Menschen:
Zugehörigkeit – Menschen möchten sich verbunden fühlen.
Entfaltung und Gestaltung – Menschen möchten sich einbringen.
Die Führung muss also die Balance zwischen strategischer Ausrichtung und Mitarbeiter*innen-Kultur schaffen. Zudem ist es wichtig, ein Klima des Vertrauens aufzubauen und zu erhalten.
Tipp1: Das Unternehmen ist eine Familie und nicht der feindliche Dschungel
Im Unternehmen ist das Gefühl von Zugehörigkeit ein wichtiger Stellhebel für Wohlbefinden. Lassen Sie zu, dass professionelle Bindungen entstehen und fördern Sie das Vertrauen ineinander.
Tipp 2: Die Magie der Vorbildwirkung
Als Führungskraft haben Sie für Ihre Mitarbeiter*innen eine Vorbildfunktion. Grund genug, ehrlich, authentisch und kooperativ auf Menschen zuzugehen. Das gilt besonders in Bezug auf Fehler. Vermitteln Sie das Gefühl, auch einmal Fehler machen zu dürfen. Denn Fehler sind Lerngutscheine. Wer aus Fehlern lernt, macht es beim nächsten Mal besser, sofern er ein vertrauensvolles Umfeld vorfindet, in dem auch die Führungskraft Fehler eingesteht – und daraus lernt.
Tipp 3: Motiviertheit statt Motivation
Das menschliche Belohnungssystem ist aktiv, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Erfolg, der mir nicht in den Schoß fällt, sondern für den ich mich schon anstrengen muss, der mich aber auch nicht überfordert. Öffnen Sie Ihrem Team Räume und zeigen Sie Grenzen.
Tipp 4: Wenn Du es eilig hast, gehe langsam
Krisen haben mit der VUCA-Welt vieles gemeinsam: Sie sind meist überraschend, komplex und oft überfordernd. Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Krisenmanagement können helfen, Komplexität zu handhaben: recherchieren, strukturieren, portionieren, ? Machen Sie bewusst einen Schritt nach dem anderen.
Tipp 5: Individuelle Spezialisierung statt Einheitsbrei
Fördern Sie die unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter. Je unterschiedlicher das Team, desto besser sind Sie für die Herausforderungen von morgen gewappnet.
Tipp 6: Im Zeitalter des Unbewussten / der Intuition
Viele Aufgaben werden immer komplexer, doch unser Gehirn kann maximal 7+/-2 Bedeutungseinheiten gleichzeitig aktiv haben. Deshalb führt ein Mehr an Faktenwissen nicht immer zu besseren Entscheidungen. Trauen Sie sich und Ihrem Team auch intuitive Entscheidungen zu.
Als ich am 17.4.2020 eine erste Version dieses Artikels veröffentlichte, wussten wir noch nicht, dass wir im November 2021 die höchsten Fallzahlen haben würden…
Am 13. März 2020 verkündet die österreichische Regierung einschneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise. Alles, was danach kam, ist uns Unternehmer:innen noch in allerbester Erinnerung: Ausgangsbeschränkungen, Homeoffice, Stornierung von Aufträgen, Überbelastung mancher Sparten (z.B. Steuerberater), Kurzarbeit, unterbrochene Lieferketten und vieles mehr. All das hat unsere Wirtschaft nachhaltig verändert.
Die Covid-19 Krise führt nicht nur dazu, dass wir nun alles Mögliche vermehrt online erledigen. Wir können auch viel über die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lernen.
Unberechenbarkeit und Komplexität
Die Maßnahmen der einzelnen Regierungen haben von heute auf morgen viele Dinge grundlegend verändert (Unberechenbarkeit). Auch heute wissen wir noch nicht, ob dies der letzte Lockdown gewesen sein wird. Wir Unternehmer:innen mussten hohe Flexibilität beweisen, ohne zu wissen, wie es ausgeht. Bei vielen machte sich Unsicherheit breit. Zudem mussten wir mit Situationen umgehen, von denen wir immer noch nicht alle Faktoren kennen. Geschäftsmodelle (individuell gestalteter Mund-Nasen-Schutz) hatten Hochkonjunktur, bis die neue Regeln (FFP2-Maske) eingeführt wurden. Wir sind also von der Komplexität der Situation überfordert. Was für die einen ein Fluch (Umsatzeinbrüche), ist für die anderen ein Segen (z.B. Zustelldienste). Gewohnte Zusammenhänge sind außer Kraft gesetzt, Bedeutungen nicht mehr eindeutig.
Wir sind in der VUCA Welt angekommen
Was uns noch vor wenigen Jahren im Zuge der Zunehmenden Digitalisierung vorausgesagt wurde, ist längst eingetroffen: die VUCA-Welt ist Realität.
In der Covid-19-Krise haben wir also in kürzester Zeit viele Situationen erlebt, die uns für Unternehmen im 21. Jahrhundert vorausgesagt wurden. Und alles begann im März 2020 mit Homeoffice. Covid-19 ist ein Katalysator, ein Entwicklungsbeschleuniger – die eigentliche Digitale Revolution? Ja, wenn es uns gelingt, die gemachten Erfahrungen in unseren Alltag zu integrieren, Wissen aufzubauen und somit besser für die 4. Industrielle Revolution (Digitale Transformation) gerüstet zu sein.
Ein Blick in mein Privatleben:
Durch die Absage von Präsenzseminaren bin ich viel weniger Kilometer mit dem Auto gefahren, hab dafür mehr Seminare online gehalten (Mobilität und Konnektivität).
Ich habe deutlich mehr selbst gekocht und dabei auf die Qualität der Lebensmittel geachtet. (Neo-Ökologie und Gesundheit)
Ich habe seit 20 Jahren meine Ski wieder selbst gewachst und manches repariert, das ich sonst weggeworfen hätte und ich habe alte Pullover wieder ausgegraben, um sie anzuziehen (Neo-Ökologie)
Ich habe gelernt, mit kurzfristigen Absagen von beruflichen und liebgewonnenen privaten Terminen umzugehen (New Work)
Ich habe gelernt, asiatisch zu grüßen, anstatt jemand die Hand zu drücken (Globalisierung)
Ich habe mehr gelesen und geschrieben (Wissenskultur)
…
Das Deutsche Zukunftsinstitut hat zwölf Megatrends festgemacht, die in der Zeit nach der überstandenen Covid-19-Krise Wirtschaft und Gesellschaft maßgeblich beeinflussen werden. Einige spiegeln sich in meinen Beispielen wider.
Unternehmen sind von Kopf bis Fuß agiler und digitaler geworden
In 1 1/2 Jahren zwischen Lockdown und Kurzarbeit mussten insbesondere wir Selbständigen uns anpassen und müssen es immer noch. Wir können jedoch langsam den Blick nach vorne richten, in die Inspiration und Erneuerung. Jetzt ist Kreativität und Innovation gefragt und damit eine ganz neue Unternehmenskultur. All die kleinen Pflänzchen der Veränderung, die noch vor Corona erste Keime entwickeln durften, haben jetzt einen enormen Wachstumsschub erhalten. Die ganze Erde ist ein dynamischer Organismus mit kollektiver Vernunft. Menschen agieren aus einem authentischen Selbst heraus, sind sowohl Beobachter als auch Gestalter der Welt. Emotionen und Gefühle werden verstärkt dem Wissen hinzugefügt, das Vertrauen auf Intuition und Instinkt steigt. Kooperationen in und mit dieser Bewusstseinsebene sind gut mit dem Schlagwort zahlreicher Ökologiebewegungen zusammengefasst: „Global denken, lokal handeln.“ Es braucht globales, vernetztes Denken, um eine nachhaltige, lokale Kooperation einzugehen und erfolgreich durchführen zu können.
Dabei stehen Unternehmer und Führungskräfte vor ganz neuen Herausforderungen in Sachen Mitarbeiterführung und Selbstmanagement. Wenn Sie jedoch hinschauen und analysieren, welche Strategien in der Krise erfolgreich waren, haben Sie das Rüstzeug für die nächsten Jahre:
Netzwerk/Kooperation ist das Zukunftsmodell des Wirtschaftens
Human Being statt Human Ressource
Die Führungskraft ist Dienstleister der Mitarbeiter:innen
Mehr digitale Intelligenz braucht mehr emotionale Intelligenz
Kreativität und Spielerisches fördert neue Ideen
…
Literatur:
Beck und Cowan (2007): Spiral Dynamics Kamphausen Verlag
Gatterer (2020): Wirtschaft nach Corona Zukunftsinstitut
Im biologischen und auch im wirtschaftlichen Sinne ist Kooperation eine praktikable Lösung, um sich schneller an veränderte Lebens- und Umweltbedingungen anzupassen.
Unternehmen müssen sich immer wieder anpassen: Märkte verändern sich, neue Produkte sind gefragt, Kunden brechen weg, neue müssen akquiriert werden. Aktuell bringt die Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen und damit hohen Anpassungsbedarf. Das Deutsche Zukunftsinstitut prognostiziert mehr Wertschöpfungsnetzwerke statt der bisher gewohnten Wertschöpfungsketten.
Dieser „struggle for life“, dieser Überlebenskampf, ist für die Natur nichts Neues. Sie hat vielmehr ein Prinzip entwickelt, das schnelle Anpassung möglich macht: Kooperation.
Eigeninteresse versus gemeinsames Interesse
Kooperation findet in der Natur in vielfacher Form statt. Und eines haben alle Kooperationsformen gemein: Das Eigeninteresse (Egoismus) ist dabei dem gemeinsamen Interesse (Altruismus) – meist zeitweise – untergeordnet.
Ziel einer Kooperation ist es, die eigene biologische Fitness (Überleben, Nahrung, Fortpflanzung) im Moment oder für die Zukunft zu stärken. Im biologischen und auch im wirtschaftlichen Sinne ist Kooperation eine praktikable Lösung, um sich schneller an veränderte Lebens- und Umweltbedingungen anzupassen.
Auch uns Menschen hat die Evolution ein paar ganz natürliche Kooperationsmechanismen mitgegeben.
Spiegelneuronen
Spiegelneuronen machen Situationen – ob im Guten oder Schlechten – vorhersehbar und lassen uns ahnen, was kommen könnte. Wenn wir aufbauend auf unsere Empathie und Intuition, ausgehend von unseren eigenen Interessen, die gemeinsamen Interessen in den Blickpunkt nehmen, erreichen wir eine hohe Effizienz bei der Bewältigung von Problemen und Aufgaben in der gemeinsamen Umwelt, d.h. wir kooperieren.
Menschen sind „Drogen“ für andere Menschen
Die Begründung dafür ist im Motivationssystem des menschlichen Gehirns zu finden. Die Macht des Motivationssystems beruht darauf, dass die Nervenzellen dieses Systems Botenstoffe produzieren, ohne die wir uns gar nicht wohlfühlen, ja ohne die wir auf Dauer gar nicht leben können.
Von anderen Menschen Vertrauen zu erleben und zu sehen, dass Mitmenschen bereit sind, in einer konkreten Situation mit der eigenen Person zu kooperieren, wird vom Motivationssystem mit einer sofortigen Reaktion beantwortet. Das im Mittelhirn lokalisierte Motivationssystem schüttet bei erlebter Fairness, Vertrauen und sozialer Akzeptanz sogenannte Wohlfühl-Botenstoffe aus. Dies sind Dopamin (der Botenstoff, der auch bei Drogenkonsum ausgeschüttet wird) und körpereigene Opioide.
Somit ist biologisch eindeutig nachvollziehbar: Wir erleben Wohlbefinden, wenn wir Vertrauen erleben und wenn wir etwas mit anderen tun. Wenn wir dann die richtigen Dinge tun, führt uns dies auch noch zu einem wirtschaftlichen Erfolg.
Der legale Dopamin-Kick
Aus all diesen Kooperationsprinzipien in der Natur kann man folgende Tipps für kooperatives Handeln in Unternehmen ableiten:
am Beginn viele und kurzfristige Angebote bieten
durch Vorleistung Vertrauen schaffen
Kooperation ausführen, wenn die anderen hinsehen
Vorleistung und Kooperation der anderen beachten
Kommunikation geht Kooperation voraus
jeder sollte wissen, wo sein Platz, was sein Aufgabengebiet ist
exakte Kommunikation ist Bedingung für Koordination
in der Gelassenheit und Beharrlichkeit liegt die Kraft
Erfolgreiche Kooperationen entstehen nicht von heute auf morgen.
Kooperationen brauchen Ziele, die nach Erreichen auch gemanagt werden können.
Und sollte es mal nicht funktionieren: Mit klaren Regeln „kämpfen“.